Freitag, 10. Oktober 2008

Eine Fahrrad-Runde durch Westafrika



Eine Fahrrad-Runde durch Westafrika –abseits von ausgetretenen Pfaden
(Fortsetzung von „Mit dem Fahrrad von Malaga nach Banjul“ )

Nachdem mir die Tour durch Nord- und Westafrika im Jahr 2005 sehr viel Spaß gemacht hatte, entschloss ich mich, diesmal von meinem damaligen Zielort Banjul, der Hauptstadt von Gambia (siehe Der Trotter 119, Mit dem Fahrrad von Malaga nach Banjul), meine Rundreise durch Westafrika zu starten. Die Reise begann am 11. November und endete am 30. Dezember 2006.

Die ersten Tage verbringe ich im Camping Sukuta, günstig gelegen, nicht nur zum Akklimatisieren sondern auch zur Beschaffung der Visa für Guinea-Bissau und Guinea. Zudem ist es ganz nett, mal wieder alte Bekannte zu treffen.

Guinea-Bissau, ein neues Land in meiner »Sammlung«

Bis zur Grenze von Guinea-Bissau ist es nicht allzu weit, knapp zwei Tagesreisen durch die Casamance, den südlichen und schöneren Teil Senegals. Guinea-Bissau hat sich von lang anhaltenden Bürgerkriegen ganz gut erholt und ist mittlerweile ein sicheres und angenehmes Reiseland. Die Amtssprache ist Portugiesisch, man kommt aber auch mit Französisch ganz gut zurecht. Hier bin ich nicht mehr der toubab, sondern der branco. Die Vegetation nach der Regenzeit ist üppig. Aus Senegal kommen viele große Trucks ins Land, vorwiegend um Maniok, Orangen und Holzkohle aufzukaufen. Die Straßen sind recht gut und bereits nach drei Tagen erreiche ich die Grenze nach Guinea. Die Abfertigungen an einfachen Holzhütten verlaufen korrekt und ohne Probleme.

Guinea - der Komfort hat ein Ende

Wie Guinea-Bissau ist auch Guinea touristisch noch sehr wenig erschlossen. Reiseberichte im Internet gibt es kaum. Es war bis zur Unabhängigkeit 1958 französische Kolonie, danach trat das Land unter dem damaligen Machthaber Sekou Touré aus dem frankophonen Staatenbund aus. Die Franzosen bedankten sich auf ihre Weise, betonierten Toiletten zu, schraubten Glühbirnen heraus, steckten Verwaltungsgebäude an und ließen das Land ohne Währung dastehen - in allen anderen ehemaligen französischen Kolonien gilt der CFA-Franc (Franc de la Coopération Financière en Afrique Centrale), der direkt an den Euro gekoppelt ist. Als Folge davon, aber auch auf Grund hausgemachter Misswirtschaft, ist das potentiell reiche Guinea verarmt und die Infrastruktur nur rudimentär entwickelt. Elektrizität und asphaltierte Straßen sind weitgehend unbekannt. Dafür ist es aber ein noch sehr ursprüngliches Land mit freundlichen Menschen und wirkt authentischer als viele andere afrikanische Länder. Außerdem ist es das mit Abstand preiswerteste in der Region, Hotelzimmer sind ab einem Euro zu haben.

Über gerade noch erträgliche Pisten geht es nach Koundara, nicht größer als ein großes Dorf, jedoch in dem Dreiländereck Guinea/Senegal/Guinea-Bissau ein recht bedeutendes Handelszentrum. Zur abendlichen Unterhaltung gibt es typisch afrikanisches Pay-TV, Video-Lokale mit Generator, Satellitenschüssel und Fernsehschirm übertragen Fußballspiele aus Europa. So kann ich kann live das unglückliche Ausscheiden von Werder Bremen aus der Champions-League verfolgen. Der Eintritt beträgt 500 Guinea Franc (1 Euro = 8.500 Guinea Franc, zum Zeitpunkt der Reise), ist also für Einheimische durchaus erschwinglich. Hier, wie auch in den meisten westafrikanischen Ländern, liegt der Anteil der Moslems bei etwa 90 Prozent. Der Islam verbietet den Genuss von Alkohol, trotzdem treffen sich viele Leute abends am Ortsrand unter einem Baum zum Umtrunk mit Palmwein. Auf meine Frage, wie sich das mit dem Islam vereinbaren lässt, antwortet man mir, der Palmwein sei un cadeau de dieu, ein Geschenk Gottes. Außerdem werde ja Medizin unter anderem auch aus Alkohol gemacht. Man solle es halt nicht übertreiben, vier Portionen seien erlaubt. Afrikaner sind in der Auslegung des Korans offensichtlich recht flexibel. Überhaupt sind keinerlei Spannungen oder Animositäten zwischen den verschiedenen Religionen zu beobachten, auch keine Diskriminierungen von Minderheiten.

Auf ins Gebirge

Weiter geht es über eine passable Piste ins Fouta Djalon, dem eigentlichen Zielgebiet meiner Reise. Es ist ein Gebirge mit Höhenlagen von über 1.500 Metern. Für das meist flache Westafrika ist das recht ungewöhnlich. Auf dem Land ist die Versorgung einfach. Ein landestypisches Gericht ist maffé, Reis mit Erdnuss-Sauce. Man wird für circa 3.000 Guinea Franc zwar satt, aber ein kulinarisches Vergnügen ist es auf Dauer nicht. Gekocht wird in großen Töpfen, die auf drei Steinen stehen und mit Holz oder Holzkohle befeuert werden. Man darf nicht zu spät kommen, denn es wird immer nur einmal pro Tag gekocht. Wenn der Topf leer ist, gibt es nichts mehr. Ansonsten gibt es in größeren Dörfern durchweg frische Baguettes, die ich mir dann mit Bananenscheiben belege. Mit Trinkwasser versorge ich mich aus Brunnen und habe keine Probleme damit. Zurzeit werden überall Orangen geerntet, die von meist jungen Mädchen am Wegesrand für circa ein bis zwei Cent pro Stück angeboten werden, immer eine angenehme Erfrischung.

Überall wird mir freundlich zugewinkt. Man spricht vorwiegend Poular, die Sprache der Peul (Fulbe). Hier bin ich der porto. Das Klima ist hier in den Bergen recht angenehm. Im Hauptort Labé kann ich mal wieder die Annehmlichkeiten einer Stadt genießen. Es gibt verschiedene Restaurants, Hotelzimmer haben zeitweise Licht und fließendes Wasser und in Cyber-Cafés kann ich meine E-Mails abrufen und versenden.

Unterwegs mit einem Partner

Hier in Labé, in einem Café, treffe ich den holländischen Radler Frank van Rijn. Er ist mit 58 Jahren noch vier Jahre älter als ich, sehr reiseerfahren und bestreitet seinen Lebensunterhalt mit Berichten, Büchern, Artikeln und Vorträgen über seine Expeditionen (http://home.wanadoo.nl/frank.van.rijn/thuis.html). Er ist in seinem Heimatland sehr bekannt, wohl so etwas wie der holländische Tilmann Waldthaler. Diesmal ist er auf dem Weg von Holland nach Ghana. Wir fahren zusammen nach Doukki, das an der Piste zwischen Pita und Telimele liegt. Dort betreibt der Einheimische Hassan Ba ein kleines Touristikunternehmen und organisiert auch Trekking-Touren. Seine Gäste wohnen auf seinem Grundstück in traditionellen Rundhütten und bekommen afrikanische Vollpension zu einem Pauschalpreis. Wir machen zwei Touren durch spektakuläre Schluchten und an Wasserfällen vorbei. Weiter geht es durch attraktive Gebirgslandschaften und über anspruchsvolle Pisten in Richtung Kindia.

Nach zwei Tagen trenne ich mich von Frank, der meiner Meinung nach ein komischer Kauz ist (aber das wird er wohl auch über mich denken). Mich wundert, dass er bei all seiner Reiseerfahrung so viel Gepäck mit sich führt, sodass er bei Anstiegen kaum von der Stelle kommt und morgens ewig braucht bis er startklar ist. Es geht ihm hier alles zu afrikanisch zu, das Essen und die Musik beispielsweise sind ihm viel zu exotisch, es stören ihn harmlose Kreaturen wie Ameisen und Fliegen und er agiert immer sehr umständlich und pingelig. Jedenfalls war es für mich eine Bereicherung und zumindest am Anfang ganz nett, mit jemandem Erfahrungen austauschen zu können. Geeignete Reisepartner zu finden, ist generell ein Problem, da muss schon sehr viel zusammen passen, aber das ist ein Thema für sich.

Vergangenheit und Entwicklungspolitik

In Kindia rolle ich dann wieder auf Asphalt, genieße die Annehmlichkeiten einer Stadt und wohne im Hotel Buffet de la Gare. Der Bahnhof ist allerdings verfallen. Vor 20 Jahren ist hier der letzte Zug vorbeigefahren. Schade, dass solche Einrichtungen so vor die Hunde gehen. Auf guten Teerstraßen mit vielen Steigungen geht es über Mamou nach Dalaba, attraktiv auf circa 1.400 Höhenmetern gelegen. Dieser Ort ist auf Grund seiner günstigen klimatischen Lage ein Refugium für wohlhabende Bewohner der Hauptstadt Conakry und man kann hier die früheren Residenzen von politischen Würdeträgern besichtigen. Sekou Touré, der als großer Förderer der guineischen Kultur galt, hatte der bekannten südafrikanischen Sängerin Miriam Makeba Asyl gewährt und ihr hier ein Haus gebaut. Dieses verfällt nun allmählich. Die ehemalige Hausherrin war seit 1993 nicht mehr dort. Nur ihr Wärter, der kein Gehalt bekommt und vom Trinkgeld der Besucher lebt, hält noch die Stellung. Übrigens hat Sekou Touré auch den ersten afrikanischen Frauenband (Les Amazones de Guinée) gefördert.

Die Unterkünfte in Dalaba sind leider alle ausgebucht, da die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) gerade ein Seminar veranstaltet. Ich habe Glück, der zweite europäische Traveller, dem ich in Guinea begegne, der Wiener Bulgare Juri, bietet mir das zweite Bett in seinem Zimmer an. Die GTZ'ler sind nette Leute. Ich habe jedoch den Eindruck, dass sie, wie auch andere Entwicklungshilfeorganisationen, eine »Parallelwelt« bilden. Sie verfügen über schicke Fahrzeuge, die mit arrogant wirkenden Fahrern häufig leer durch die Gegend fahren, nachdem die Frau zum Friseur oder die Kinder zur Schule gefahren wurden, während sich das Volk zu Fuß oder in Buschtaxis eingepfercht durch die Gegend müht. Gesundheitsprojekte wie Aids-Prävention sind sicherlich sinnvoll, wenn auch Präservative in schwarz-rot-goldener Verpackung auf den Nachttischen von Unterkünften einen skurrilen Eindruck erwecken. Die Einrichtung von Touristenbüros oder die Förderung von Kunsthandwerk sind weitgehend sinnlos, da überhaupt kein Markt dafür vorhanden ist. Im Textilhandwerk dagegen könnten Europäer eher von den Afrikanern lernen.

Erfahrungen mit dem einheimischen Handwerk

Westafrikanische Frauen legen sehr viel Wert auf ihr Outfit, ihre farbenprächtigen Gewänder sind Unikate. Man kauft einige Meter Stoff auf dem Markt, geht damit zum Schneider oder zur Schneiderin und lässt sich zeitnah und preisgünstig ein Kleid oder einen Dreiteiler (Oberteil, Rock und Kopftuch) nähen. Männer kleiden sich eher westlich, billig importierte Textilien verderben den Schneidern die Geschäfte. Dabei sind die kleinen Handwerksbetriebe, wie Autowerkstätten, Fahrradläden oder Friseursalons die einzigen Wirtschaftszweige, die in Guinea und den benachbarten Ländern relativ gut funktionieren. Nähmaschinen können auch ohne Elektrizität betrieben werden. Ansonsten sieht man viele Schreinereien, in denen Kreis- oder Stichsägen unbekannt sind. Die einzigen Werkzeuge in diesen Betrieben sind rostige und stumpfe Fuchsschwänze. Erstaunlich, dass auf diese Weise immer noch Möbel entstehen, die nur deswegen bezahlbar sind, weil Arbeitszeit hier keine Rolle spielt.

Rentable Industriebetriebe sind in dieser Region, wie fast überall in Afrika, sehr selten. Auch ich lasse mir ein Hemd mit Extras, wie durchgehendem Reißverschluss und Taschen am Rücken, schneidern. Dazu habe ich zuvor vier Meter Indigostoff bei einer geschäftstüchtigen Verkäuferin erworben und etwa fünf Euro dafür bezahlt. Der Schneider verlangt noch mal knapp zwei Euro und er freut sich, einen Europäer als Kunden zu haben. Mein Projekt hat Priorität und nach zwei Stunden kann ich mein Hemd abholen. Auch kleinere Reparaturen, wie das Löten eines gerissenen Tachokabels oder das Flicken meiner Radhose, werden im Handumdrehen erledigt. Zu Hause würde der Preis für derlei Dienstleistungen den Neuanschaffungswert wahrscheinlich übersteigen und wenn es sich doch rechnen sollte, müsste ich auf die Fertigstellung eine Woche warten.

Ich setze meine Reise fort, wieder zurück nach Labé. Von dort möchte ich weiter nach Norden.

Nach Maliville

Wieder zurück in Labé schließt sich dann der Kreis meiner Runde durch das Fouta Djalon. Der Luxus der Asphaltstraßen ist wieder vorbei. Die Piste nach Maliville ist zwar spektakulär aber dafür schwer zu fahren. Nicht leichter haben es die Buschtaxis. Die Fahrten müssen für die Einheimischen bezahlbar sein. Die Fahrzeuge werden wegen der geringen Preise hoffnungslos überladen. Es ist kein Geld für Ersatzteile da, mit der Folge, dass kaum eine Fahrt ohne Pannen abläuft und die Improvisationskunst von Fahrern und Mechanikern gefordert ist. Im Schnitt bin ich mit dem Fahrrad kaum langsamer. Übrigens sind sehr viele Einheimische auch auf zwei Rädern unterwegs. Die 115 Kilometer lange Strecke schaffe ich gerade so an einem Tag. Hier ist auch meine einzige ernsthafte Reparatur fällig. Der Steuersatz hat sich gelockert und muss mit einem 32er-Schlüssel festgezogen werden. Solch ein Werkzeug habe ich natürlich nicht dabei. Ein Lkw-Fahrer ist mir behilflich.

Maliville ist der Ausgangspunkt der östlichen Route zurück nach Senegal. Der Ort liegt auf 1.500 Meter Höhe. Vom Felsen Dame de Mali hat man bei klarem Wetter eine gute Sicht hinunter nach Senegal. Ich wohne in der Auberge Indigo, genannt nach dem Material, mit dem die Menschen aus der Region die Stoffe färben und aus denen ihre Bekleidung geschneidert wird. Nebenan verbringt eine Deutsche ihren Lebensabend. Sie hat sich dort mit ihrem mittlerweile verstorbenen guineischen Ehemann ein Haus gebaut. Ihr gefällt nicht alles in Guinea, aber es zieht sie auch nicht zurück nach Deutschland. Ihre schmale deutsche Rente reicht in Guinea für ein gutes Auskommen und Luxus wie Solaranlage, Satellitenfernseher und Mobiltelefon. Obwohl meine Unterkunft sehr ruhig gelegen ist und die Temperaturen in dieser Höhenlage angenehm sind, schlafe ich schlecht, denn die schwerste Etappe steht mir nun noch bevor.

Eine »internationale« Verbindung mit schweren Hürden

Ich informiere mich über die Pisten ins senegalesische Kedougou. Der freundliche Inhaber des Bureau de Tourisme fertigt mir eine Skizze an. Bis zur senegalesischen Grenze sind es circa 100 Kilometer. Einmal pro Woche fährt ein robuster Berliet-Truck über die raue Piste. Je nach Ladung und Pannenhäufigkeit benötigt er ein bis drei Tage. Mir wird eine Abkürzung empfohlen, bei der ich etwa 30 Kilometer einspare. Jedoch soll sie schwieriger zu befahren sein, wobei ich dabei also kaum Zeit einsparen würde. Ich treffe eine amerikanische Peace-Corps-Voluntärin, die an einer Schule Englisch unterrichtet und mir erzählt, dass die meisten Leute diese Strecke zu Fuß zurücklegen, vor allem um Geld zu sparen. Oft sind sie dann auch nicht viel langsamer als mit irgendeinem Verkehrsmittel. Wie erwartet wird es dann auch die wohl extremste Etappe meiner Radlerlaufbahn.

Die ersten 20 Kilometer geht es steil bergab, bis auf etwa 250 Höhenmeter. Bergab, über steile felsige Abschnitte, muss ich öfters mein Fahrrad schieben. Ich bin kein Downhill-Akrobat, bin lieber langsam und weniger riskant unterwegs. Ein Sturz mit Verletzungen oder Defekten wäre hier ziemlich fatal. Anfangs ist noch eine Piste erkennbar, doch dann muss ich mein Gepäck abladen und meine Packtaschen und mein Rad abwechselnd durch felsiges Gelände tragen. Schlimmer als die Anstrengung ist für mich die Ungewissheit, ob ich auf dieser immerhin »internationalen« Verbindung noch auf dem richtigen Weg bin. Nachdem ich dann an der tiefsten Stelle einen Fluss durchwatet habe, kann ich mich wieder rollend fortbewegen. Irgendwann komme ich durch ein Dorf und kann nach dem Weg fragen.

An einer Schule bin ich die Attraktion, werde umringt wie ein Popstar. Am frühen Nachmittag erreiche ich nach 60 Kilometern bei Lougé den guineischen Grenzposten. Viele Touristen scheinen hier nicht vorbeizukommen, denn es muss erst ein Beamter gesucht werden, der sich mit den Formalitäten auskennt und mir den Ausreisestempel gibt. Knapp vier Wochen war ich in Guinea unterwegs. Ein sehr interessantes und abwechslungsreiches Land mit freundlichen Leuten, in dem es viel zu entdecken gibt. Es war die Reise wert!

Nach Senegal

Bis zum senegalesischen Grenzort Segou sind es noch mal gut 10 Kilometer schwierige Piste. Ab Segou bin ich aber wieder in der Zivilisation. Hier gibt es ein Straßenrestaurant, ein Campement und auch einen Laden, in dem man unter anderem Baguettes und Cola kaufen kann. Hier und auch im Nachbarort Dindefelo treffe ich sogar wieder einige Touristen. Die Ausläufer des Fouta Djalon sind im Vergleich zu den ansonsten meist flachen und trockenen Steppengegenden Senegals ein landschaftliches Highlight, abwechslungsreich mit Bergen, Wasserfällen und Wäldern. 50 Kilometer hinter Kedougou beginnt der Parc National Niokola Koba. Allerdings ist die Tierwelt nicht sehr berauschend. Mir laufen ein paar Affen, Warzenschweine und eine Gazelle über den Weg. Man braucht als Radler keine Bedenken bei der Durchquerung des Parks zu haben. Grundsätzlich ist es so, dass Ost- und Südafrika sowohl landschaftlich als auch von der Tierwelt her sehr viel mehr zu bieten haben als Westafrika. Ich meine aber, dass Westafrika kulturell mehr zu bieten hat.

Von Tambacounda aus brauche ich drei Tage bis zum Atlantik. Nach Westen hin wird die Landschaft wieder grüner und üppiger. Auch das Essen wird abwechslungsreicher. Ein typisches senegalesisches Gericht ist Yassa, Reis oder Coscous mit Gemüse und Fisch. Als kleinere Mahlzeit unterwegs gibt es häufig Baguettes mit dicken Bohnen und Zwiebelsauce als Belag, ansonsten muss man in Ortschaften die Augen offen und nach Straßenküchen Ausschau halten, zum Beispiel nach Frauen mit Töpfen und Schüsseln und ein paar Sitzgelegenheiten. In der Nähe vom Gare de Routiere, dort wo die Buschtaxis oder andere Personentransporte abfahren, gibt es immer irgendwas. Überhaupt, Straßengastronomie und Handel auf den Märkten werden überwiegend von Frauen bestritten. Westafrikanische Frauen wirken sehr selbstbewusst in ihren meist spektakulären bunten Gewändern. Erfrischend unterwegs sind auch Wassermelonen, die überwiegend in trockeneren Regionen gedeihen. Zwei Stück mittlerer Größe kann ich pro Tag vertilgen und wenn es dann doch zu reichlich ist, ist immer jemand in der Nähe, der beim Verwerten der Reste hilft.

Weihnachten verbringe ich im herrlich gelegenen Campement Esperanto bei Kafountine, wo ich freundlich begrüßt werde, denn dort habe ich auch letztes Jahr schon campiert. Die letzte Etappe führt mich zurück nach Sukuta (Gambia), wo ich meine Tour gemütlich ausklingen lasse. Auf dem Campingplatz ist nun relativ viel Betrieb. Einige Leute, die mit Fahrzeugen Westafrika bereisen oder gar Afrika komplett durchqueren wollen, machen hier Station und wir tauschen Erfahrungen aus. Die Strecke über Guinea kann ich durchaus als Alternative zu der gängigeren Direktroute durch Mali empfehlen. Mit der entsprechenden Ausrüstung ist sie gut machbar und mit Sicherheit eine Bereicherung einer Westafrika-Reise, ob mit Allradfahrzeug, Motorrad, Fahrrad oder als Rucksacktourist. Die letzteren dürften es noch am schwersten haben, wenn sie von den Hauptrouten abweichen und auf abenteuerliche Buschtaxis angewiesen sind.

Kurz vor meiner Abreise zum 17 Kilometer entfernten Flughafen kommt eine deutsche Reisegruppe mit Fahrrädern unter der Leitung von Stefanie, die ein Haus in Kafountine besitzt, im Camp an. Während meine 2005er Tour (Malaga, Marokko, Mauretanien, Senegal, Gambia, siehe Der Trotter Nr. 119) von vielen langen Wüstenetappen geprägt war, war diese mit knapp 3.000 Kilometer wesentlich kürzer, etwas gemütlicher, aber nicht minder interessant. Mit vielen Eindrücken und auch schon neuen Ideen trete ich den Rückflug an. Alles hat wieder mal gut geklappt, die kleineren und größeren Abenteuer muss man in Afrika nicht suchen, die kommen von selbst. Von größeren Schäden sind mein Fahrrad und ich verschont geblieben.

Infos

Anreise

Condor fliegt im Winterhalbjahr zweimal wöchentlich nach Banjul. Die Preise sind abhängig vom Buchungs- und Reisetermin, beginnen etwa bei 500 Euro. Der Fahrradtransport kostet noch mal 50 Euro extra für den Hin- und Rückflug. Als Ausgangspunkt bietet sich der unter deutscher Leitung stehende Camping Sukuta an http://www.campingsukuta.de/, 17 km vom Flughafen und fünf km von Serrekunda, der größten Stadt Gambias entfernt. Dort gibt es auch Zimmer zu mieten. Für Selbstfahrer oder Rucksacktouristen ist Westafrika mittlerweile gut erreichbar, da die Atlantikroute durch Marokko und Mauretanien mittlerweile durchgehend asphaltiert ist.

Einreiseformalitäten

Visa für Guinea und Guinea-Bissau sind preisgünstig und unkompliziert in Serrekunda bzw. in Bakau zu bekommen, 5 bzw. 12 km vom Camping Sukuta entfernt. Für Gambia und den Senegal ist kein Visum notwendig.

Reisezeit und Gesundheit

Die günstigste Reiszeit sind die Monate von November bis März, trocken mit relativ erträglichen Temperaturen. Das Malaria-Risiko ist recht hoch, eine Prophylaxe ist dringend angeraten, ansonsten gelten die üblichen Vorsorgemaßnahmen für tropische Länder.

Verständigung

Die Amtssprache in fast allen westafrikanischen Ländern ist Französisch, das auch überall auf dem Land verstanden wird. Man sollte zumindest mit einigen Floskeln und Begriffen vertraut sein. In Gambia, Liberia, Sierra Leone, Ghana und Nigeria ist Englisch, in Guinea-Bissau Portugiesisch Amtssprache. Ansonsten werden von Einheimischen mehrere Länder übergreifende Sprachen wie Wollof, Poular, Mandinka, Bambara etc. gesprochen. Es kommt gut an, wenn man sich ein paar Wörter aneignet.

Geld

Im Senegal und in Guinea-Bissau gilt die CFA-Währung, die fest an den Euro gekoppelt ist (1 Euro = 656 CFA-Franc). Das Preisniveau ist dort bei Unterkünften recht hoch, ca. 5.000 CFA-Franc für sehr einfache Zimmer. Europäisches Essen ist ebenfalls teuer und nur in größeren Städten oder in touristischen Orten zu haben. Auf den Märkten und in Straßenrestaurants kann man sich günstig verpflegen. Überall in Westafrika sind Baguettes zu haben.
In Guinea gilt der Guinea-Franc (GF), man tauscht auf Märkten, der Kurs war 8.500 GF für einen Euro im Dezember 2006 (Im Dezember 2007 war ich wieder dort, da lag der Kurs nur noch bei ca. 6.500 GF für einen Euro). Kreditkarten und auch Travellerschecks sind in der Regel nicht zu gebrauchen (Ausnahme Senegal), in Gambia auch nur bedingt. Die Preise in Guinea sind sehr günstig, Zimmer ab 10.000 GF, Mahlzeiten ab 3.000 GF, mit Fleisch ab 8.000 GF, Bier (0,5 Liter) ab 4.000 GF, Baguettes ab 1.000 GF.

Unterkünfte

Das teuerste Hotel im Fouta Djalon ist das Tata in Labé für 120.000 GF pro Person, von dort aus werden auch Exkursionen organisiert Preisgünstiger und zentral gelegen ist das Hotel de l'Independence (ab 30.000 GF). In Dalaba sind das Hotel Tangama (Zimmer ab 20.000 GF) oder das Hotel BIS (Zimmer ab 60.000 GF) empfehlenswert. Das Hotel Buffet de la Gare in Kindia (ab 10.000 GF) ist einfach aber freundlich und günstig gelegen. An der Piste 50 km östlich von Pita liegt das Campement Doukki von Hassan Ba, man bezahlt dort pauschal ca. 15 Euro für Übernachtung, Vollpension und geführte Trekkingtouren.

Verkehr

Regelmäßiger Busverkehr ist in diesen Ländern ganz selten. Es fahren meist Sammeltaxis oder Minibusse. Die starten, wenn alle Plätze besetzt sind. In Guinea sind die Fahrzeuge meist in schlechterem Zustand und überladener als in den angrenzenden Ländern.

Internet

Cyber-Cafes gibt es in größeren Städten, in Guinea ab 5.000 GF pro Stunde, im Senegal ab 200 CFA-Franc.

Sicherheit

Die beschriebenen Länder sind relativ sicher. In der Casamance kommt es gelegentlich zu Überfällen, die jedoch nicht speziell gegen Touristen gerichtet sind. In Guinea gab es im Januar/Februar 2006 politisch motivierte Unruhen, die aber mittlerweile offensichtlich ausgestanden sind.

Musik

Westafrika ist bekannt für seine reichhaltige Musikkultur und dominiert die Sparte Weltmusik. Wer sich auf eine Westafrika-Reise einstimmen oder Erinnerungen wieder aufleben lassen will, dem empfehle ich u.a. Doppel-CDs mit sehr informativen Begleitheften vom Zeitausendeins-Versand (siehe auch www.zweitausendeins.de):
Desert Blues I und II
Golden Afrique I und II
außerdem das formidable Baobab-Orchester mit der CD Specialists in all Styles.

Karten

Senegal/ Gambia (1:500.000) und Westafrika (1:2.200.000) beide Reise-Know-How (je 8.90 €).

Reiseführer

Westafrika I und II (Reise-Know-How je 25 €)
Senegal/Gambia (Reise-Know-How 14.90 €)
Senegal/Gambia aus dem Peter Meyer Verlag (22 €).

Literatur

Wassermusik von T.C. Boyle, sowie Bücher von Mariama Ba oder Maryse Condé liefern recht unterhaltsame und teilweise historische Eindrücke von Westafrika.


Kurzvita des Autors

Wolfgang wurde 1952 in Bochum geboren und ist im Siegerland (Südwestfalen) aufgewachsen. Er studierte in Gießen (Hessen) und ist dort hängen geblieben und nun an der Uni, Fachbereich Medizin, als Statistiker tätig.

Die erste größere Reise unternahm er 1973 im VW-Bus in die Türkei, ab 1979 schwerpunktmäßig Rucksack-Reisen nach Afrika und Asien. Ein einschneidendes Erlebnis war 1991, als er sein letztes Auto abgeschafft und sich sein erstes Fahrrad zugelegt hat. Seither lebt er ohne Auto, bewältigt alle Fahrten mit dem Fahrrad, nimmt seinen Jahresurlaub in der Regel am Stück im deutschen Winter für eine größere Radreise, meist nach Afrika, aber auch zwei mal nach Südostasien und zwei mal Australien.
Da er alle Arten des Reisens kennen gelernt hat, ist er der Meinung, dass das Reisen mit dem Fahrrad die mit Abstand ergiebigsten Kontakte mit Land und Leuten hergibt.

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