Freitag, 10. Oktober 2008

Malaga - Banjul



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Ceuta - Marokko - Mauretanien - Gambia - Senegal
Mit dem Fahrrad von Málaga nach Banjul

Afrika rückt näher
von Wolfgang Pabst
2005 (November / Dezember)
________________________________________
Der Bericht ist erschienen im Trotter 119 (Juni 2006).

Trotter 119 herunterladen [3,2MB]



Für den normalen spießbürgerlichen Angestellten mit globetrotterhafter Einstellung gilt es, seine 33 Tage Jahresurlaub effizient zu gestalten. Seit einigen Jahren nehme ich meine sechs Wochen bevorzugt im November/Dezember (früher wäre ich damit nicht für eine DZG-Mitgliedschaft qualifiziert gewesen). Nach etlichen Afrika-Reisen in den 80er und 90er Jahren mit Rucksack und später mit dem Fahrrad, zuletzt je zweimal Australien und Südostasien, stand mir mal wieder der Sinn nach einer afrikanischen Herausforderung.

Günstige Meldungen aus Nordwest-Afrika -die Fertigstellung der asphaltierten Straße bis nach Mauretanien, dort vereinfachte Einreisebedingungen sowie die weitgehende Beendigung der Spannungen in der Casamance im südlichen Senegal - motivierten mich zu einer Reise in diese Region. Bei einem Zeitrahmen von sechs Wochen sind diese optimal zu nutzen und in günstige An- und Abreise einzubinden. Ich buchte also mit Condor meinen Hinflug nach Malaga und den Rückflug ab Banjul/Gambia, inklusive aller Zuschläge und Fahrradtransport für rund 500 Euro. Dazwischen lagen 4.500 Kilometer Landweg und eine kurze Mittelmeerüberquerung.

Horrortrip durch Südspanien

Abflug am 16.11.2005 um 6.00 Uhr ab Frankfurt, um 9.50 Uhr kann ich mich in Malaga schon aufs Fahrrad schwingen. Das zunächst euphorische Gefühl ist dann aber schnell verflogen, denn die Fahrt entlang der Costa del Sol durch Orte mit klangvollen Namen wie Torremolinos und Marbella hatte ich mir doch etwas idyllischer vorgestellt. Es geht fast permanent über vierspurige Schnellstraßen, links das Meer mit schmalem Strand, ansonsten alles zugebaut, rechts kahle Berge. Zumindest ist es nicht wie bei uns verboten, die autobahnähnlichen Straßen zu benutzen, Ausweichmöglichkeiten gibt es ohnehin keine. Mir ist es absolut unverständlich, wie man in dieser Gegend Urlaub machen kann und sogar für teures Geld Immobilien erwirbt. Es treibt mich jedenfalls voran, ohne Pause, denn Rastplätze gibt es auch nicht. Nach 135 Kilometern erreiche ich das Hafengebäude in Algericas um 16.50 Uhr, 10 Minuten später legt meine Fähre nach Ceuta ab. Kosten: 30 Euro für die 45-minütige Überfahrt. Dann bin ich zwar geographisch, aber immer noch nicht offiziell in Afrika, denn Ceuta ist eine spanische Enklave, die in letzter Zeit als Fluchtpunkt für afrikanische Immigranten Schlagzeilen gemacht hat. Das Preis-Leistungs-Verhältnis der Unterkünfte in Ceuta ist sehr schlecht und so entschließe ich mich, die fünf Kilometer außerhalb der Stadt gelegene Grenze nach Marokko zu überqueren, obwohl es mittlerweile dunkel ist. Die Abfertigung verläuft freundlich und zügig. Im Ort, etwa einen Kilometer hinter der Grenze, bekomme ich ein ordentliches Zimmer mit warmer Etagendusche für etwa sieben Euro und bin dann doch zufrieden mit dem Tagesablauf. Endlich in Afrika! Trotz der Anstrengungen kann ich nicht gut schlafen, denn ich bin doch noch sehr aufgeregt.

Endlich wieder in Afrika auf 2 Rädern

Am nächsten Morgen stehe ich früh auf, fahre im Morgengrauen los und frühstücke nach zwei Stunden in Tetouan, einer sauberen Stadt mit viel traditioneller Bausubstanz. Es ist noch sehr ruhig. Das liegt daran, dass man hier die Uhr um eine Stunde zurückstellen muss, außerdem ist heute ein islamischer Feiertag. Ich radle weiter über Ausläufer des Rifgebirges nach Larache am Atlantik. Die Temperaturen liegen zwischen 15 und 20 Grad, also ideal für Radler. Die Atlantikroute ist zunächst nicht sehr spektakulär, auch nicht allzu touristisch, die Leute sind freundlich und die Infrastruktur mehr als ausreichend. Es gibt einfaches und leckeres Essen, Gebäck und als Zwischenmahlzeit bietet sich immer ein Süppchen an - Harissa mit Fladenbrot und einem Spritzer Olivenöl, so etwas wie ein Nationalgericht. Abends gönne ich mir dann meist eine leckere Tajine - im Fleischtopf gegartes Fleisch mit Gemüse. Einfache Hotelzimmer sind für etwa 5 Euro zu haben, Campingplätze sind noch etwas billiger. Vor Casablanca habe ich etwas Bedenken wegen des Verkehrs, aber es ist Sonntagmorgen und ich kann die größte Stadt Marokkos ganz entspannt durchqueren. An der Strandpromenade ist westlicher Lifestyle zu beobachten, es wird gejoggt, gewalkt und geradelt, Männer und auch Frauen, diese teilweise in traditionellen Gewändern, wobei sie sich meist noch mit Sonnenbrillen tarnen.

Weiter geht die Fahrt durch überwiegend landwirtschaftlich genutztes Gebiet. Es ist gerade Gemüseernte. Besonders lecker sind die Tomaten, die so gut schmecken wie bei uns vor 40 Jahren. Weiter im Süden von Marokko treffe ich viele Europäer, die hier mit Wohnmobilen überwintern. Ich kann mich leider nirgendwo lange aufhalten, denn ich habe noch einen langen Weg vor mir. Einen halben Urlaubstag gönne ich mir dann doch nach angenehmer Fahrt durch die Berge von Tiznit am schönen Strand von Sidi Ifni.

Durch die Wüste

Ab Guelmin wird die Gegend wüstenhaft und die Abstände zwischen den Versorgungspunkten werden größer. Bei Akfennir gerate ich in einen Sandsturm, es bläst die ganze Nacht sehr heftig. Am nächsten Morgen muss ich mein Zelt ausgraben, es ist aber noch intakt. Manchmal zahlt sich Qualität eben aus. Auf der Deutschen Welle werden Unwetter mit Todesfällen von den nahen Kanaren gemeldet. Nicht gerade beruhigend. Ich habe nun mit heftigem Gegenwind zu kämpfen. Hundert Kilometer vor Laayoune erreiche ich das Gebiet der ehemaligen »Spanischen Sahara«, das von Marokko kontrolliert wird, auf das aber auch Algerien, Mauretanien und natürlich die einheimischen Saharauis, vertreten durch die Polisario, Anspruch erheben. Diese unklare Situation hat für Touristen keine direkten Auswirkungen. Polizeiposten werden zwar häufiger, man wird aber immer freundlich behandelt. Ich begegne auch einigen UN-Fahrzeugen. An einer Tankstelle unterhalte ich mich kurz mit einem österreichischen UN-Beobachter. Er fragt mich nach meinem Reiseziel. Auf meine Antwort »Senegal und Gambia« dann seine Reaktion: »Wo is'n dööös?« Soviel zur Kompetenz dieser Leute. Dies bestätigt mir auch ein Tankwart, der mir die UN-Beobachter als äußerst überflüssig und arrogant beschreibt. Kurz vor Laayoune, der größten Stadt in der Region, wird der Wind günstig und das wird dann auch bis nach Mauretanien so bleiben - Alhamdulillah!!!

Boujdour wuchs in 20 Jahren von einem Dorf zu einer größeren Stadt mit Hotels, allen Einkaufsmöglichkeiten und Internetcafes. Erstaunlich viele Mädchen - oft mit Kopftuch - sind an den Computern aktiv. In diesen Internetcafes steigt das Durchschnittsalter bei meinem Eintreffen erheblich, während ich das Durchschnittsalter auf den Campingplätzen senke. Die Wohnmobilisten dort sind fast alle im Rentenalter. Die marokkanische Regierung hat die Region zur zollfreien Zone erklärt, dies gleicht die höheren Kosten durch lange Transportwege aus und fördert die Besiedlung. Die Abstände zwischen Versorgungsmöglichkeiten - meist Tankstellen mit Restaurant, Kiosk und Moschee - werden immer größer, betragen aber maximal 160 Kilometer. Bei gutem Wind ist das kein Problem. Übernachten kann man problemlos wild, hinter Sanddünen, für einen leichten Geräuschpegel sorgen die seltener werdenden Fahrzeuge von der erstklassigen Straße und der Atlantik. Die mauretanische Grenze rückt nun näher. Etwa 90 Kilometer vorher genieße ich den Luxus eines Hotels. Das zugehörige Freiluftrestaurant ist ein idealer Treffpunkt für Durchreisende, die von Norden oder Süden kommend Erfahrungen austauschen.

Zwei schicke bayrische Allradfahrzeuge kommen gerade von Mauretanien. Ich frage die Insassen nach Versorgungsmöglichkeiten entlang der Straße: »Goar nix!«, bis Nouakchott, der Hauptstadt von Mauretanien. Das ist natürlich nicht sehr hilfreich. Schade, habe mir da doch etwas mehr erwartet. Dann treffe ich einige Franzosen. Von ihnen erhalte ich ein paar brauchbare Tipps. das stimmt mich wieder zuversichtlich.

Hier ist nun echtes Wüstenklima, tagsüber bis 35 Grad, nachts kühlt es auf 10 Grad ab. Am nächsten Morgen mache ich mich mit etwas Lampenfieber und einem Vorrat von acht Fladenbroten und fünf Litern Wasser auf den Weg zur Grenze. Unterwegs treffe ich meinen Namensvetter Wolfgang mit seinem Landcruiser. Er bietet mir einen kühlen Saft an, was ich gerne annehme. Später kann ich mich revanchieren. Ich helfe ihm bei den Grenzformalitäten, da er weder Französisch noch Englisch spricht. Er ist mit einem Anhänger unterwegs, voll mit Bier.

Man sollte hinsichtlich Wasser und Lebensmittel unabhängig sein. Generell ist es so, dass man als Radler kaum Unterstützung von Fahrzeugen erfährt. Ich habe diese auch nie nötig gehabt. Wenn allerdings mal jemand anhält und ein Stück Obst oder ein kühles Getränk anbietet, so wie zweimal ein holländisch-englisches Pärchen in einem Citroen, dann nehme ich das gerne an. Die Ausreiseformalitäten auf marokkanischer Seite sind zügig und freundlich, wie überhaupt das Land durchweg einen angenehmen Eindruck auf mich gemacht hat.

Mauretanien, eine neue Erfahrung

Nun gilt es, die vier Kilometer Niemandsland bis zum mauretanischen Grenzposten zu durchqueren, den einzig schwer zu fahrenden Abschnitt zwischen Malaga und Dakar. Mir wurde berichtet, dass es soll hier noch Minen geben soll. Manche Fahrzeuge bleiben im Sand stecken. Ich muss öfters schieben. Die Formalitäten an den sehr einfachen mauretanischen Grenzgebäuden - zwei Hütten mit Pappwänden und Strohdächern - sind relativ korrekt. Das Visum bekommt man sofort für 30 Euro, Selbstfahrer zahlen eine inoffizielle Gebühr von je 10 Euro pro Person und Fahrzeug, eine Art "Buschzulage" für die Grenzbeamten. Wer Afrika kennt, weiß, dass es auf diesem Kontinent Schlimmeres gibt.

Nach nun 18 Tagen und 2.800 Kilometer seit Malaga rolle ich mit wieder euphorischem Gefühl in ein mir unbekanntes Land ein. Nach zehn Kilometern km erreiche ich die brandneue Straße, die die Hafenstadt Nouadhibou und die Hauptstadt Nouakchott über 470 Kilometer verbindet. Dort kreuze ich auch die Gleise, auf denen der angeblich längste Zug der Welt Eisenerz vom Landesinneren zum Hafen transportiert. Die Gegend ist weiterhin wüstenhaft, jedoch dichter besiedelt als der Süden Marokkos. Viele Halbnomaden siedeln in Zelten entlang der Straße. Nach einiger Zeit steuere ich eine solche, mit »Auberge« beschilderte, Behausung an. Dort werde ich von drei freundlichen Damen empfangen. Ich bekomme traditionellen Tee nach einer ausgedehnten Zeremonie, wir können uns auf Französisch ganz gut verständigen und man schätzt auch meine rudimentären Arabischkenntnisse. Es wird ein entspannter Nachmittag. Ich werde sogar aufgefordert, Fotos zu machen. In diesem relativ streng islamischen Land sehr außergewöhnlich. Die Bekleidung der Frauen und die Ausstattung des schönen und großen Wohnzelts, u.a. mit Solarlicht und Musikanlage, lässt auch auf einen gewissen Wohlstand der Familie schließen in einem Land, das zu den fünf ärmsten der Welt gezählt wird. Später kommt noch der Hausherr mit einem Landrover und begrüßt mich, bevor ich mich verabschiede.

Nach einer Übernachtung zwischen Sanddünen frühstücke ich am nächsten Morgen Tee mit Bisquits an einer Auberge. Die Preise sind immer auszuhandeln, sonst kann es passieren, dass man stark überhöhte Preise bezahlt. An Kleingeld scheint hier kaum jemand interessiert zu sein. Ich ernähre mich noch weitgehend von meinen marokkanischen Vorräten. Man bekommt zwar Tee und Wasser, aber es gelingt mir nur zweimal bis Nouakchott ein warmes Essen zu bekommen, nämlich Reis mit gebratenem Kamelfleisch.

Immer wieder begegne ich auf dieser Strecke interessanten Leuten. Da ist der holländische Diplomat aus Dakar. Er ist unterwegs um seine insgesamt 14 Landsleute in Mauretanien zu betreuen. Dann der französische Ingenieur. Er kontrolliert die Qualität der neuen Straße. Sie wurde von einer tunesischen und einer ägyptischen Firma gebaut und mit internationalem Geld finanziert. Ansonsten sind viele Autoverkäufer unterwegs, die Gebrauchtwagen (meist Mercedes) in Nouakchott verkaufen. Erstaunlich, wie groß der Markt in diesem armen Land ist. Der Senegal hat diesem Handel einen Riegel vorgeschoben, indem er nur noch Fahrzeuge ins Land lässt, die nicht älter als fünf Jahre sind. In Nouakchott erhalte ich auch das beste Angebot für mein Fahrrad, rund 130 Euro. Es ist den Leuten nicht verständlich, dass es mit 2.000 Euro teurer sein soll als mancher Gebrauchtwagen.

Nouakchott gehört sicher nicht zu den attraktiven Kapitalen dieser Welt, jedoch ist die Auberge Sahara eine angenehme Traveller-Unterkunft und es macht mal wieder Spaß, richtig einkaufen zu können, es gibt sogar Supermärkte. Auf dem traditionellen Marché Capitale herrscht buntes afrikanisches Treiben. Hier ist ein Schmelztiegel von hellhäutiger arabischer und schwarzafrikanischer Bevölkerung. Nach drei Tagen reise ich weiter, die Landschaft ändert sich, die Wüste geht in Sahel-Savanne über. Kamel- und Ziegenherden beherrschen das Bild, allerdings gibt es auf der ganzen Strecke keinen einzigen Quadratmeter Ackerland. Nach 200 Kilometern erreiche ich eine der meist gefürchteten die Grenzen in Afrika, Rosso am Senegalfluss. Auf mauretanischer Seite werde ich nach Zahlung einer inoffiziellen Ausreisegebühr von rund drei Euro bevorzugt behandelt und sogar die Fähre wartet noch auf mich.

Ein starker Kontrast, vom arabischen Nordafrika ins bunte Schwarzafrika

Auf senegalesischer Seite wird mein Pass einbehalten und ich warte vor dem Grenzgebäude. Schlimmer als die Beamten sind jedoch die vielen Schlepper und Geschäftemacher, derer man sich kaum erwehren kann. Nach einer halben Stunde erhalte ich meinen Pass mit Einreisestempel, ein Visum für den Senegal ist nicht erforderlich. Wieder stellt sich das euphorische Gefühl ein, eine Grenze bezwungen zu haben, wobei dies mehr als nur eine Grenze ist. Nach den konservativen arabischen Ländern nun Schwarzafrika. Selbstbewusste Frauen in bunten Gewändern, fetzige westafrikanische Rhythmen statt arabischem Gedudel, ein breites Warenangebot auf den Märkten und auch wieder Bierkneipen, obwohl Senegal und Gambia auch zu etwa 90% islamisch sind.

Eine knappe Tagesreise ist es bis St. Louis, einer recht schönen Stadt an der Mündung des Senegalflusses in den Atlantik mit traditioneller Bausubstanz, kolonialen Gebäuden und bunten Märkten. Etwa 20 Kilometer südlich liegt das von dem Schweizer Ehepaar Martin und Ursula betriebene Camp Zebra Bar, herrlich an einer Lagune gelegen, ein Fixpunkt für alle Afrika-Fahrer. Es ist wie viele solche Traveller-Zentren eine europäische Enklave auf afrikanischem Territorium. Ich habe nun mehr Zeit als ursprünglich geplant (noch drei Wochen) und mache hier fünf Tage Urlaub. Es ist ganz angenehm, mit anderen Touristen Erfahrungen auszutauschen, auch wenn dies überwiegend Autofahrer sind. Sie möchten nicht an meiner Stelle sein, aber ich erst recht nicht an ihrer.

Ich fahre dann in großem Bogen um Dakar herum. Ab St. Louis ist es eine sehr schwere Etappe gegen den heißen östlichen Wüstenwind. Das Wasser in meinen Trinkflaschen wird fast ungenießbar warm. Deshalb erfrische ich mich zweimal mit einer fußballgroßen Wassermelone. Über Touba, dem Ort mit der größten Moschee im Lande, geht es weiter nach Kaolack, wo mich ein einheimischer Radfahrer zu sich in sein Häuschen einlädt. Dabei handelt es sich um eine Hütte mit Wänden aus Plastikplanen und Wellblechdach. Die sanitären Anlagen werden mit anderen Familien geteilt. Es wird eine unglaublich laute Freitagnacht. Die Lautsprecher der nahe gelegenen Moschee und der Freiluftdisco brüllen um die Wette bis in den frühen Morgen.

Bei Farafenni durchquere ich Gambia, praktisch eine etwa 50 Kilometer schmale Enklave im Senegal, wo ausnahmsweise Englisch gesprochen wird. Wieder im Senegal beginnt die Casamance, wo bis vor einigen Monaten noch Separatisten ihr Unwesen getrieben haben. Mittlerweile hat sich die Lage entspannt. Es kommt zwar noch vereinzelt zu Überfällen, man weiß jedoch nicht, ob diese politisch motiviert sind oder ob es sich um Banditentum handelt. Die Vegetation wird üppiger, es gibt Wälder, viele Mangobäume und man hat den Eindruck, dass die Leute auch lockerer sind als im trockeneren Norden. In Ziguinchor habe ich den südlichsten Punkt meiner Tour erreicht. Es ist eine lebhafte Stadt unweit der Grenze zu Guinea-Bissau. Von hier aus ist es eine knappe Tagesreise bis Kafountine, einer kleinen Stadt am Atlantik, wo eine touristische Infrastruktur heranwächst. Ich verbringe vier schöne Tage im Campement Esperanza, herrlich am Meer gelegen, zwischen Kafountine und Abene. Der französische Besitzer ist nicht da, aber das afrikanische Personal managt die Unterkunft und vor allem die Bar, an der man sich bei einem kühlen Gazelle-Bier angenehm entspannen kann. Außer mir ist nur noch der Holländer Marco anwesend. Abends sitzen wir in gemütlicher Runde mit den Einheimischen zusammen, Gesprächsthemen sind wie so oft der Fußball und auch die Musik. Man nimmt wohlwollend zur Kenntnis, dass ich mich mit westafrikanischer Musik ganz gut auskenne. Erstaunlich ist die Sprachgewandtheit der Senegalesen. Die am weitesten verbreitete Sprache ist Wolof, aber die meisten beherrschen auch noch drei bis vier weitere afrikanische Sprachen, Französisch sowieso und die Leute, die im Tourismus tätig sind auch noch Englisch und teilweise Spanisch und Deutsch.

Der Kassettenrekorder und die Beleuchtung werden solar betrieben. Wenn der Tag sehr sonnig war, halten die Akkus bis Mitternacht. Tagsüber halten wir am Strand die einheimischen Kids bei Laune. Der Schwimmunterricht ist leider nicht erfolgreich. Das Wetter ist jetzt sehr angenehm, sonnig mit Tagestemperaturen um 30 Grad, nachts kühlt es auf 20 Grad ab. Am Heiligen Abend sorgt eine Trommlertruppe für Stimmung. Die Bevölkerung ist hier teils katholisch, teils islamisch. Gefeiert wird also doppelt. In Abene findet ein achttägiges Kulturfestival statt. Die Eröffnungsveranstaltung nachmittags auf dem Fußballplatz, wo die gesamte Bevölkerung auf den Beinen ist und die Frauen ihre besten Gewänder tragen, ist ein Highlight.

Abschluss in Sukuta (Gambia)

Eine letzte knappe Tagesreise ist es nach Gambia zum Camping Sukuta, der von den Deutschen Joe und Claudia betrieben wird. Er ist nicht allzu schön gelegen, aber praktisch um die letzten Tage bis zum Heimflug zu verbringen. Man kann hier sein Auto verkaufen und es gibt auch Langzeittouristen. Traveller-Unterkünfte mit gutem Preis-Leistungsverhältnis wie beispielsweise in Südostasien oder auch Ostafrika gibt es in Westafrika kaum. Einheimische Hotels mit niedrigem Standard sind teuer. Daneben gibt es Ferienanlagen, die von Pauschaltouristen angeflogen werden. Die erste außereuropäische Ferienanlage war übrigens der neckermannsche Club Aldiana bei Dakar. Die einheimische Versorgung mit Lebensmitteln ist preiswert. Es gibt überall Baguettes, die von Frauen an Straßenküchen mit einem Aufstrich aus pikantem Bohnengemüse für 100 CFA (15 Cent) angeboten werden. Das ist immer eine gute Zwischenmahlzeit. Europäisches Essen in Restaurants ist dagegen sehr teuer.

Ich nutze die letzten Tage zu Tagestouren nach Banjul, der Hauptstadt, und zu den Märkten von Serekunda und Bacau. An Silvester spielt zunächst eine Band aus Guinea mit Balafon und Trommeln. Es wird getanzt. Immer wieder faszinierend die Hüftschwünge der Afrikanerinnen. Zum Essen gibt es Steaks und Bratwürste vom Grill, dazu Salate und Pudding, später wird dann leider nach westlichen Rhythmen wie Boney M verlangt.

Am Neujahrsabend steht mein Heimflug an. Ich radle die 17 Kilometer bis zum Flughafen in der Abenddämmerung. Meine letzten einheimischen Dalasi investiere ich in die Verpackung meines Rades, das mir fantastische Dienste geleistet hat. Es gab keinerlei Probleme bis auf einen Platten. Besonders die 14-Gang-Rohloff-Schaltung hat sich bestens bewährt. Ebenso natürlich der 26er Stahlrahmen der Fahrradmanufaktur und die Schwalbe-Marathon-Reifen. Das Einchecken verläuft problemlos. Dann ergibt sich jedoch noch ein letztes Problem, denn das Rad passt nicht durch die Röntgenanlage Die Security-Leute verlangen von mir, das Fahrrad wieder auszupacken, was ich nur durch ein "Happy New Year present" in Höhe von 100 Dalasi vermeiden kann, umgerechnet 3 Euro, die ich mir für einen Imbiss oder einen Drink in der Abflughalle aufgehoben hatte.

Aber auch dieser kleine Missklang kann den sehr positiven Gesamteindruck meiner Tour nicht trüben. Es war letzten Endes alles doch einfacher als gedacht. Mit ordentlicher Ausrüstung und einer gewissen körperlichen Fitness ist diese Tour auch für Nicht-Extrem-Radler durchaus machbar. Die gewählte Reisezeit hat sich auch als bestens geeignet erwiesen.

Infobox (speziell für Radfahrer)

Karten & Literatur

Michelin 953 (Nord/West-Afrika) 1:4.000.000

Senegal & Gambia aus der Reihe Reise-Knowhow 1:550.000

Campingführer Marokko von Edith Kohlbach

Gesundheit

Es sind keine Impfungen vorgeschrieben. Es empfiehlt sich jedoch die Mitnahme eines Malaria-Standby-Medikaments. Malariarisiko besteht etwa ab Nouakschott und südlich.

Internetzugang

In Marokko in allen größeren Orten zahlreich und günstig,
in Mauretanien nur in der Hautstadt Nouakschott,
im Senegal in allen Städten günstig, in Gambia teurer.

Visa

Nur notwendig für Mauretanien, dort jedoch unkompliziert für 30 € an der Grenze erhältlich. Visum für angrenzende westafrikanische Länder muss man sich allerdings vorher beschaffen. Visum für Mali ist unkompliziert in Nouakschott erhältlich, für Guinea oder Guinea-Bissau in Dakar oder Banjul.

Versorgung

In Marokko ist überall Wasser in Plastikflaschen preisgünstig erhältlich, in den schwarzafrikanischen Ländern seltener und teuer. Ich persönlich habe keine schlechten Erfahrungen mit dem Genuss von unbehandeltem Brunnenwasser gemacht.

Die maximale Strecke ohne jegliche Versorgung beträgt etwa 160 km im Gebiet der Westsahara. An Tankstellen gibt es generell Restaurants und die Möglichkeit, Lebensmittel einzukaufen. Grundnahrungsmittel sind Fladenbrote in Marokko und Baguettes in den frankophonen westafrikanischen Ländern.

Unterkünfte

Allgemein ist das Preis-Leistungsverhältnis für Hotels und sonstige Unterkünfte in Westafrika schlecht, Restaurants mit europäischem Standard sind teuer, dagegen kann man sich auf den lokalen Märkten günstig versorgen. Eine satt machende Mahlzeit (z.B. Reis oder Hirse mit Fleisch in Erdnusssauce) bekommt man für 50 Cent, ein Baguette für 10 - 20 Cent.

Reservierungen dürften generell kaum nötig sein. In allen genannten Campingplätzen werden Mahlzeiten in europäischem Standard angeboten, allerdings relativ teuer.

In Marokko ...

... gibt es in allen größeren Orten Hotels (Einzelzimmer ab 3 €). Campingplätze finden sich entlang der Atlantikküste bis Sidi Ifni. Diese sind allerdings nicht immer in gutem Zustand. Danach ist wildes Campen in der Wüste problemlos möglich. Besonders empfehlenswert:

Camping El Barco am Meer bei Sidi Ifni.

Hotel/Restaurant Barbas 90 km vor der mauretanischen Grenze (Einzelzimmer 10 €, Tajine 3,50 €).

Nouakschott

Auberge Sahara unter französisch-mauretanischer Leitung, Übernachtung ab 5 € pro Person. Sichere Fahrzeugabstellmöglichkeit, sauber und freundliche Atmosphäre. www.auberge-sahara.com, T 00222/6704383

Senegal

Bar Zebra, großer Camping unter Schweizer Leitung bei Gandiol, 20 km südlich von St. Louis, herrlich an einer Lagune gelegen mit schattigen Plätzen (Camping ab 4 € pro Person, auch Bungalows zu mieten), gut ausgeschildert.

In der Casamance in der Nähe der Ortschaften Kafountine und Abene gibt es einige Campements. Besonders empfehlenswert ist das Esperanto, Camping ab 3 € pro Person, sehr schön in der Natur gelegen in unmittelbarer Meeresnähe.
http://www.au-senegal.com/pages/esperanto.php und
http://www.senegalaisement.com/senegal/basse_casamance_rivedroite.html

Das Flaschenbier im Senegal ist von guter Qualität, eine 0,65-Liter-Flasche Gazelle gibt es ab 1 €.

Gambia

Camping Sukuta, ein kleinerer Campingplatz unter deutscher Leitung, nicht allzu schön gelegen, dafür praktisch mit einigen Dienstleistungen, unter anderem Autoverkauf, Abstellmöglichkeiten, Flugticketverkauf, etc., http://www.campingsukuta.de/

An- und Abreise

Man kann von Deutschland bis in den Senegal auf Asphaltstraßen reisen, mit Ausnahme einer vier Kilometer langen, sandigen Piste zwischen der marokkanischen und mauretanischen Grenzstation.

Mittelmehrfähren von Algeciras nach Ceuta oder Tanger fahren stündlich. Reservierungen machen keinen Sinn. Wenn man sich Spanien ersparen will, kann man auch mit Fähren von Sête (Südfrankreich) nach Tanger oder Melilla reisen.

Banjul und Dakar werden zweimal wöchentlich von Condor angeflogen, andere Oneway-Flüge von Westafrika nach Europa sind sehr teuer.

Rucksacktouristen können die beschriebene Strecke problemlos mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen. Lediglich der mauretanische Teil wird bisher noch nicht mit regulären Bussen bedient, jedoch gibt es Sammeltaxis und andere Mitfahrgelegenheiten.

Beste Jahreszeit

November bis Februar, trocken und relativ moderate Temperaturen, relativ geringes Malariarisiko, Windrichtung in der Westsahara und Mauretanien vorwiegend von Norden.

© Deutsche Zentrale für Globetrotter e.V. [ nach oben ]

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